Die Blütezeit von 1912 – 1914

Die zielbwußte, selbstlose Arbeit der letzten Semester gab der Ditmarsia die Möglichkeit, die zahlreichen jungen, verschieden gearteten Kräfte, die ihr in den folgenden Jahren bis zum Ausbruch des Krieges zuströmten, aufzunehmen und zu einem Ganzen zu verschmelzen.
Alles andere als glänzend war dabei der äußere Rahmen, in den sich unsere Verbindung zwingen lassen mußte. Um so höher sind die Erfolge anzuschlagen, um so tiefer war der Eindruck ihres starken inneren Lebens, der kraftvollen Geschlossenheit nach außen.
Wir hausten im Colosseum am Exerzierplatz, ein Lokal, das auf irgend welche gesellschaftliche Schätzung kaum einen Anspruch machen konnte. Zur Verfügung stand uns ein ziemlich großer Kneipraum mit anschließendem Zimmer, das zum Fechten benutzt wurde, aber auch als Vorstandklause dienen mußte, und eine Toilette, die man während einer Kneipe nur mit Hilfe einiger Sprungbretter, die zu diesem Zwecke ständig bereit lagen, betreten konnte. Für Auge oder Herz bot keiner dieser Räume etwas Anziehendes.
Jede andere Korporation in Kiel ließ uns in dieser Beziehung weit hinten. Um das Maß voll zu machen, schenkte man uns ein Bier, dessen Güte derartig war, dass der Erste des SS 1912, als sich einmal die Aussicht auf Veränderung bot, erleichtert verkündete: „Kinder, es ist möglich, dass wir in absehbarer Zeit Heim und Stoff verlassen können.“
Alle größeren Festlichkeiten, vor allen Dingen, wenn Damen beteiligt waren, feierten wir in der Seeburg, in die nun endlich auch die Ruderriege einziehen konnte, deren Boote bisher kümmerlich in einem Schuppen, deren Leute – aber viel weniger kümmerlich – in August Struves gastlichen Hallen zu Mönkeberg gehaust hatten.

Mehr als 10 Füxe, im Sommer 1913 sogar sechzehn, wurden in jedem Semester zu begeisterten ATBern gemacht. Auf allen Gebieten der Leibesübungen, dem Geräteturnen, in den sportlichen Wettkämpfen, im Rudern, leitete die Ditmarsia Tüchtiges und selten glücklich war die Zusammenfügung der Geister, der die anregenden Kneipen, die glänzenden Feste entsprangen, wie sie ein so kleiner Kreis kaum wieder umschließen wird. Der Rektor der Universität und andere Professoren waren auf unseren größeren Veranstaltungen ständig vertreten.
Aber nicht nur auf erlauchte Gäste legten wir Wert. Am selben Tische saß eine Abordnung der Stakendorfer Bauern, die ihren Gegenbesuch machte als Erwiderung auf eine Sonnabendskneipe, die wir in jenes Probsteidörfchen verlegt hatten.
Gerade die Mannigfaltigkeit der Menschen und Veranstaltungen war das Belebende und weckte die vielen Talente, welche die Ditmarsia damals in ihren Reihen vereinigte. Wir waren uns unserer Kraft bewusst und wahrten uns in der Kieler Studentenschaft die Stellung, die uns zukam.
Dem gibt auch das Farbelied Ausdruck, das im Herbst 1911 von Dehncke-Homer gedichtet wurde.
Eins aber fehlte, die Anerkennung unserer Leistungen im Bunde selbst. Hier galt die Ditmarsia immer noch als verhältnismäßig kleine Korporation, der werdende Kraft kaum zugetraut wurde. Das Koblenzer ATB-Fest vom 28. bis 30. Juni 1912 brachte die entscheidende Wendung. Ganz abgesehen von den turnerischen Leistungen – wir brachten außer manchen Einzelpreisen die Bundes-Meisterschaft in Faust- und Schlagball nach Hause – , erregte die Ditmarsia durch ihr straffes Auftreten, durch den Zusammenhalt und die Betriebsfreudigkeit allgemeines Staunen.